Das Management und der Schutz von Biodiversität im Wald sind deshalb entscheidend, weil Wälder die vielfältigsten terrestrischen Ökosysteme weltweit darstellen. Wesentliche ökologische Prozesse wie Baumwachstum, Kohlenstoffspeicherung, Bestäubung und Samenverbreitung sind von ihr abhängig. Biodiversität ist auch die Basis sämtlicher Umweltleistungen, die der Wald für den Menschen erbringt. Daher ist es sehr wichtig, ein gezieltes Biodiversitäts-Management in die Waldbewirtschaftung zu integrieren. Aus den Untersuchungen vieler Forscherinnen und Forscher wird deutlich, dass insbesondere die Waldstruktur einen Einfluss auf die Biodiversität hat. Weist ein Wald eine Vielfalt an Baumarten und Strukturen auf, bedeutet dass gleichzeitig eine Vielfalt an potentiellem Lebensraum.
Strukturvielfalt bezieht sich auf:
- Bäume unterschiedlicher Höhe, Durchmesser, Alter und Wuchsform
- Sonderbiotope wie Steinhaufen, Feucht- und Trockenbiotope oder Bachläufe
- Habitatbäume
- Totholz
Habitatbäume und Totholz
Habitatbäume sind besonders gewachsene Bäume mit ausladenden Ästen, Stammbewuchs, Pilzbefall, kleinen Nischen, Spalten, Rissen oder Höhlen. Sie stellen einen wertvollen Lebensraum für viele Arten dar. Beispielsweise leben Spechte in den (selbstgebauten) Baumhöhlen, oder nutzen Fledermäuse die Spalten unter der Rinde als Schlafquartier. Auch gibt es Schmetterlingsraupen, die an den Baumpilzen leben. Ein bemooster Stamm fördert die Insektenvielfalt und Flechten in der Baumkrone die Spinnenvielfalt. Als Totholz werden abgestorbene Bäume oder Baumteile bezeichnet, die im Wald stehend oder liegend vorkommen. Häufig wirkt ein Wald mit einer Ansammlung von Totholz chaotisch und unordentlich. Tatsächlich ist es aber enorm wichtig für viele Insekten-, Säugetier- und Vogelarten. Insgesamt nutzen 1/4 – 1/3 aller im Wald vorkommenden Arten Totholz als Lebensraum oder zur Nahrungsaufnahme.
Man unterscheidet unterschiedliche Baumarten, den Status des Totholzes (liegend oder stehend), den Durchmesser und den Grad der Zersetzung. Hinzu kommen weitere Faktoren zur Lage des Totholzes. Liegt das Totholz am Waldboden auf? Scheint die Sonne darauf? Diese Faktoren haben einen wichtigen Einfluss darauf, für welche Arten es ein attraktiver Lebensraum ist. Während Baumpilze in der Regel eine gewisse Feuchtigkeit bevorzugen, sind viele Käferarten an Totholz, welches intensiv von der Sonne beschienen wird. Totholz ab einem Durchmesser von ca. 30 cm kann für das Überleben von einigen Käferarten entscheidend sein.
Arten die einen langen Entwicklungszeitraum von mehreren Jahren vom Ei bis zum Käfer durchlaufen, benötigen ein kontinuierliches Nahrungs- und Lebensraumangebot. Ist das Totholz zu „dünn“, kann in einem Zeitraum von bis zu 7 Jahren, wie ihn der Alpenbock für seinen Entwicklungszyklus benötigt, die Totholzzersetzung bereits zu weit fortgeschritten sein. Die Zersetzung gibt Aufschluss darüber, wie morsch das Holz ist. Verschiedene Arten bevorzugen unterschiedlich morsches Holz. Den Grad der Zersetzung kann man nach der Holzfestigkeit einstufen und leicht mit Hilfe eines Taschenmessers bestimmen. Das Messer wird einmal längs und einmal quer zur Wuchsrichtung des Holzes in das Totholz gestochen. Dringt es in keine der beiden Richtungen ein, so ist das Totholz „frisch abgestorben“, dringt es längs, aber nicht quer ein, so ist es „mäßig zersetzt“. Dringt das Messer in beide Richtungen in das Holz ein, ist es bereits „stark zersetzt“.
Möglichkeiten für ein Biodiversitäts-Management im Wald
Die Biodiversität kann durch die Förderung von Baumarten- und Strukturvielfalt erhalten und erhöht werden. Das Potential eines Waldes ist dabei abhängig vom Standort und den klimatischen Bedingungen. Eine natürliche Strukturvielfalt mit Habitatbäumen und einer hohen Menge an Totholz kann durch den Verzicht auf die Waldbewirtschaftung entstehen. Schutzgebiete, wie Naturwaldreservate oder Biosphärenparks werden eingerichtet, um eine natürliche Waldentwicklung zu ermöglichen und die Biodiversität zu fördern.
Aber auch in bewirtschafteten Wäldern gibt es Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität, wie die Förderung einer vielfältigen Waldstruktur durch unterschiedliche Baumhöhen und -durchmesser, die Erhaltung oder das Anlegen von Sonderbiotopen, das Belassen von Habitatbäumen und das Belassen von stehendem und liegendem Totholz. Bereits eine Anzahl von 5-10 Habitatbäumen, sowie eine Totholzmenge von 30 m3 Totholz erhöhen die potentielle Lebensraumvielfalt deutlich. Sonderbiotope und Habitatbäume werden identifiziert und kartiert, um sie gezielt bei Holzerntemaßnahmen zu berücksichtigen. Auch können zur Förderung von Totholz ökonomisch unbedeutende Stammstücke oder Äste im Wald belassen werden.
Habitatvernetzung fördert die genetische Vielfalt
Wenn wir über die Fördermöglichkeiten auf einer Einzelfläche hinausschauen, so fällt häufig der Begriff Habitatvernetzung. Dieser bezieht sich auf die Verbindung mehrerer Lebensräume und ermöglicht das Fortbewegen von Populationen einer Art von einem geeigneten Ort zu einem anderen. Wenn eine Art in zwei Wäldern vorkommt, die voneinander durch große landwirtschaftliche Flächen getrennt sind, wird deren “Wanderung“ stark behindert. Schafft bzw. erhält man jedoch Baumgruppen als sogenannte „Trittsteine“ zwischen den landwirtschaftlich genutzten Flächen, kann die „Wanderung“ – und damit die Habitatvernetzung – gefördert werden. Die „Wander“-Distanz ist dabei sehr stark von der betreffenden Art abhängig, so dass vor der Einrichtung der Habitatvernetzung die Ziele und zu fördernden Artengruppen zu definieren sind.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Schutz und das Management von Biodiversität im Wald kann einerseits durch den Verzicht auf eine Bewirtschaftung und andererseits durch aktive Maßnahmen realisiert werden. Eine nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung steht damit nicht im Widerspruch zum Schutz der Biodiversität. Die naturnahe Bewirtschaftung sorgt für eine strukturelle Vielfalt und schafft gleichzeitig stabilere und weniger störungsanfällige Waldökosysteme. Wohingegen intensive Bewirtschaftungsmethoden zu einer Homogenisierung von Baumarten und Waldstruktur und damit zu einer Verringerung des Lebensraumangebots neigen. Als Konsequenz sind Wälder mit geringer Vielfalt störungsanfälliger. Langfristig ist die Förderung der Biodiversität somit auch von wirtschaftlichem Interesse, denn die Fähigkeit vielfältiger Waldökosysteme zur Anpassung an veränderte Umweltbedingungen, wie beispielsweise den Klimawandel, steigt.